Hans Jonak von Freyenwald
Das auf das Jahr 1941 zurückführbare Manuskript Ritualmord von Hans Jonak von Freyenwald ist ein weiteres antisemitisches Pamphlet unter wissenschaftlichem Deckmantel. Anders als die judenfeindliche Propaganda seitens des Stürmers, die von recht vulgärer Natur war, erlaubt sich Jonak keine großen Ausflüchte und stellt, anders als viele seiner Zeit- und Gesinnungsgenoss*innen, sogar die Gegenseite dar.
Das Manuskript ist aufgebaut wie eine klassische Erörterung – nach Sanduhrprinzip. Nach dem Vorwort und Inhaltsverzeichnis, welche zunächst versprechen, einen wissenschaftlichen Diskurs darzustellen, lässt Jonak „getreu seines Grundsatzes, vorerst den Gegner zu Wort kommen“.1 Der Großteil dieses „Zuwortkommens“ beschränkt sich jedoch auf die bloße Nennung der antisemitischen Vorwürfe und Anklagen durch den jüdischen Universitätsprofessor David Chwolson, einem in russischen Reich bekannten Orientalisten und Talmudkenner. Die einzigen argumentativen Kontrapunkte, die Jonak übernimmt, sind zwei religiöse Gebote aus der heiligen Schrift. Jüdinnen und Juden würden sich „seit jeher“ auf die Gebote „Du sollst nicht töten“ und „Ihr sollt kein Blut essen, weder von Vieh noch von Vögeln“ berufen, wenn sie gegen Ritualmordvorwürfe argumentativ vorgehen. Wie schon einige Jahre zuvor Johann von Leers, bezieht sich Jonak auf die Übersetzungen des sehr parteiischen Religionswissenschaftlers Erich Bischoff, um das Argument zu entkräften. Dieser kommt zum Schluss, dass „keine andere heilige Schrift irgendeines anderen Volkes“ so viele „Schilderungen über das Massenvergießen fremden Menschenblutes“ hätte wie die jüdische.2
Nachdem auf den folgenden rund 200 Seiten mal mehr, mal weniger skurrile „Argumente und Beweisführungen“ für den angeblichen jüdischen Ritualmord gesammelt werden, wird auf der letzten Seite des Manuskripts die von Jonak nach eigenen Angaben einzige Möglichkeit genannt, ihn umzustimmen. Der überzeugte Antisemit würde bei Entdeckung eines geschächteten jüdischen Kindes mit christlicher Täterschaft vor Erscheinung seines Werkes den Ritualmord als nicht nur jüdische Praktik anerkennen.3
Es bleibt abschließend anzumerken, dass es sich bei diesem Manuskript um eine nationalsozialistische Hetzschrift handelt, die Wissenschaftlichkeit vortäuscht und deshalb — wäre sie erschienen – bei der Führungsriege der NSDAP vermutlich größeren Zuspruch gefunden hätte, als die sensationsheischende Ritualmordpropaganda aus dem Hause des Stürmer-Verlags.
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