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Die Rezeption in den folgenden Jahren und bis heute

Den Menschen blieb der Fall auch Jahre nach den Prozessen noch im Gedächtnis. Seien es die Postkarten, die noch im Umlauf waren und manchmal sogar gesammelt wurden, oder Veröffentlichungen, die noch Jahre später auf den Markt kamen. 1906 veröffentlichte Arthur Nussbaum eine kritische Analyse des Falles.1 Darin enthalten sind auch Faksimiles der verschiedenen Gutachten, die er sich beschafft hatte. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse stellte Nussbaum die Fehler in dem Fall dar. Dies tat er im Auftrag des Verteidigers, Zdenko Auředníček.2 Neben Zeitungsartikeln über mögliche neue Prozesse, wurde der Fall später noch einmal durch die Entlassung Hilsners in die Erinnerung der Menschen gerufen. In den letzten zehn Jahren seines Lebens wirkte er selbst in Filmen mit und schlug Profit aus seinem Schicksal. Auch nach seinem Tod beschäftigte der Ritualmordvorwurf Verleger*innen und Autor*innenen. 1934 veröffentlichte der Stürmer eine Sonderausgabe zu “jüdischen Ritualmorden”, in welcher auch eine Zeichnung zum Fall von Polná zu sehen ist. Diese ist jedoch schon Jahre zuvor im antisemitischen Verlag von Gustav Adolf Dewald veröffentlicht worden. Sie wurde 1934 für den Stürmer nachgezeichnet. Ebenso versuchten faschistische Organisationen in Tschechien während dieser Zeit ein Monument für die Ermordete Anežka zu errichten, was jedoch keinen Anklang fand. 1939 veröffentlichte Jan Rys seine antisemitische Hetzschrift Hilsneriáda a TGM. Der tschechische Faschist griff erneut Quellen, wie zum Beispiel Gerichtsakten oder Fotografien, auf.3 Exilant*innen, die vor dem NS-Regime geflüchtet waren, galt der Fall ein gutes Beispiel für die Problematik eines Rechtsstaates, der unter Einfluss von antisemitischen Ideologien handelte. Für den nun in Prag lebenden Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Bruno Adler war die Hilsner-Affäre das Beispiel schlechthin. Kampf um Polna erschien in Prag im Kacha-Verlag, welcher von Autor*innen im Exil gegründet wurde, um Werke zu veröffentlichen, die in NS-Deutschland nicht hätten erscheinen können. Mit der Zerschlagung der Tschechoslowakei durch die Nazis wurde der Verlag aufgelöst.4 Adler stellt in seinem Tatsachenroman die Problematik in Polná chronologisch dar und hielt sich, soweit es ihm möglich war, an die Aktenlage, um so wenig wie möglich hinzuzudichten.5
Auch im heutigen Tschechien ist der Fall nicht vergessen. In Polná gibt es in der alten Synagoge und im Rabbinerhaus Dauerausstellungen, die seit rund 20 Jahren die Hilsner-Affäre thematisieren und Menschen können das symbolische Grab von Anežka Hrůzová am Fundort der Leiche besuchen. Dies tun jedoch auch heute noch Antisemiten. Zum 100. Jahrestag verteilten Neonazis Flugblätter, die den Fall aus ihrer Sicht präsentierten. Darüber hinaus erstellten sie Webseiten, die auf vermeintlich glaubhafte Institutionen rekurrieren und den Mord durch Hilsner beweisen sollten. Ein Flugblatt zeigt Masaryk, der als Jude dargestellt und beschimpft wird. 2016 strahlte Česká televize einen Zweiteiler zu dem Thema aus. Zločin v Polné [Mord in Polná] zeigt den Ablauf der Hilsner-Affäre, vor allem die Stimmung in der Bevölkerung und die Situation im Gerichtssaal während der beiden Prozesse. Erst vor kurzer Zeit wurde Jan Prchal, Mitglied des Historiker-Klubs in Polná, ein Flyer zugeschickt, der Bezug auf den Film nimmt und auf der Rückseite Literaturempfehlungen gibt. Hierbei handelt es sich um antisemitische Schriften, wie z.B. von Hellmut Schramm oder Jan Rys. Darunter ist die Zeichnung zu sehen, die 1934 im Stürmer erschienen ist. Auch heute gibt es also noch Personengruppen, die eine antisemitische Version der Hilsner-Affäre aus Überzeugung verbreiten und dadurch am Leben erhalten.6

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