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Der Devotionalienhandel in Rinn

Wer auf Pilgerreise geht überbrückt oftmals große Distanzen. Zur Erinnerung an diese Reisen und das damit verbundene Ziel, nehmen Pilgerer Kerzen, Andachtsbilder, Pilgerzeichen oder Bücher mit in die Heimat. Im religiösen Sprachgebrauch wird hierbei von Devotionalien gesprochen, den Weihgaben. Der Devotionalienhandel selbst wird nicht von der Kirche angeboten, stattdessen findet er vorrangig durch Privathändler statt, die an Wallfahrtsorten ihre Ware verkaufen. Bereits im Mittelalter wurde der Handel mit Devotionalien massenhaft betrieben und ist bei Gläubigen, vor allem im Christentum, sehr beliebt. Und wie lässt sich eine Ritualmordlegende besser verkaufen als durch eben jene Weihgaben?
So lässt sich leicht erschließen, dass der Kult um Anderl nicht nur eine religiöse Seite hat, sondern, trotz des erwirkten Verbots auch zum Geschäft im Ort beiträgt.1 Man kann ebenfalls die Vermutung aufstellen, dass Besucher*innen Rinns aus unterschiedlichen Gründen die Weihgaben kauften. Manche von ihnen taten dies vermutlich aus reiner Sensationsgier am angeblichen Ritualmord, während andere sie möglicherweise als Sinnbild gegen die Juden verstanden haben.
Wesentliche Weihgeschenke stellen die Andachtsbilder dar. Zu ihnen lässt sich anmerken, dass sie aus unterschiedlichen Zeiträumen stammen und deshalb auch von einer Vielzahl von Künstler*innen hergestellt worden sind. Bei diesen Bildern handelt es sich vorrangig um Miniaturen, die normalerweise Szenen aus dem Leben einer bedeutsamen Figur des christlichen Glaubens abbilden sollen. Anderl von Rinn wird in den meisten Fällen als kleiner Junge dargestellt, der ein Messer in der rechten und einen Palmwedel in der linken Hand hält. Letzterer ist im christlichen Verständnis ein Zeichen der Märtyrer. In anderen Darstellungen schwebt das Kind über der Rinner Kirche und trägt dabei nur den Palmzweig in der Hand. Auffällig sind aber auch jene Andachtsbilder, auf denen neben dem “Märtyrer” weitere Kinder abgebildet sind. Eines der Bilder, hergestellt von Joseph Obwexer und William Unger, trägt die Unterschrift: Die hl. Märtyrer-Knäblein Andre von Rinn u. Simon von Trient. Auch Wallfahrtsmedaillen gehören zu den beliebten Andenken, die bei einer Wallfahrt erstanden werden können. Diese sollen vor allem vor bösen Einflüssen und Krankheiten schützen und wurden an der Kleidung getragen oder im Haus angebracht.2 Zu Anderl von Rinn liegt dem Tiroler Volkskunstmuseum eine Wallfahrtsmedaille aus dem 20. Jahrhundert vor. Auf dieser ist in der Mitte Anderl zu sehen, umgeben von dem Schriftzug: SELIGER ANDREAS VON RINN BITTE FÜR UNS.
Von zentraler Bedeutung sind überdies die Wallfahrtskerzen, die auch Opfer- und Votivkerzen genannt werden. Auf ihnen wird meist eine kleine Abbildung, ähnlich der Andachtsbilder, angebracht. Wie der Name schon sagt, dienten diese Kerzen vorrangig dazu, ein Opfer darzubringen. Heutzutage werden sie zur Bittstellung oder Danksagung verwendet, bei der eine christliche Figur angesprochen wird. Selbstverständlich gibt es solche Kerzen auch für das Tiroler “Märtyrer”-Kind.
Die Devotionalien hatten früher und haben heute noch nicht nur einen Wert für ihre Käufer*innen. Sie dienen auch als Medien der Verbreitung, die sich in jedem Jahr um neue Variationen vermehren. Man nimmt sie mit ins Haus, man schenkt sie der Familie, Freunden und Bekannten. Dadurch tragen sie dazu bei, dass die Anderl-Legende in den Köpfen der Menschen bleibt.

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