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Gottfried Melzer

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Verarbeitung in Kunst und Kultur

Über die Jahrhunderte hinweg entstanden rund um die Anderl-Legende zahlreiche künstlerische Werke, deren Verarbeitung zunächst in Gemälden, Fresken, Reliefs, Votivtafeln, Skulpturen und Zeichnungen stattfand. Später diente die Geschichte des Anderl auch als Motiv für Fotos und Postkarten. Die meisten dieser Darstellungen erschienen erstmals in und um Rinn. Postkarten, Zeichnungen und ähnliches wurden hauptsächlich auch in dieser Gegend vertrieben. Oftmals handelte es sich bei den Werken um sehr brutale Darstellungen, insbesondere der angeblichen Schändung und Ermordung. Darüber hinaus findet sich Anderl, nach dem Vorbild Simons von Trient, auch als triumphans, so sieht man ihn insbesondere auf Gemälden oft mit Heiligenschein. Viele Bilder und Objekte konnten in der Kirche von Judenstein betrachtet werden, doch auch außerhalb des Gebäudes sind an Häusern Anderl-Statuen und Anderl-Bilder zu sehen. Vor der Kirche befindet sich noch heute ein Brunnen mit einer rot-weiß bemalten Anderl-Figur, welche in der linken Hand den Palmzweig des Märtyrers und in der rechten einen Dolch hält.
Während zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Stimmen nach einem Verbot des Anderl-Kultes lauter wurden, befanden sich doch bis in die 1960er Jahre zahlreiche Objekte in der Kirche von Judenstein, die den angeblichen Ritualmord darstellten. Auf dem Altar befanden sich die angeblichen Reliquien des ermordeten Kindes, unmittelbar daneben stand eine Figurengruppe, welche in drastischer Weise den Mord an Anderl durch eine Gruppe Juden zeigte, zu sehen auf einem aus dem Jahre 1911 erhaltenen Fotoalbum. An der Decke befand sich ein Fresko des Malers Josef Mildorfer aus der Zeit um 1740 mit dem Titel Die Schächtung des Anderl durch die Juden, das erst zum Ende des 20. Jahrhunderts durch ein anderes Fresko überdeckt wurde.1
All diese Bilder und Objekte trugen dazu bei, dass der Anderl-Kult in der Region so lange Bestand haben konnte. Fast überall wurde man mit dem angeblichen Ritualmord konfrontiert. Anderl bot sich zudem als Schutzpatron der Kinder an. Auf den alljährlichen Prozessionen am 12. Juli stellten zwei Kinder die regional bekanntesten “Ritualmordopfer” dar: Neben einem als Anderl verkleideten, zu erkennen an seinem typischen rot-weißen Kleid, lief ein blau gekleidetes Kind, welches das “Simerle”, also Simon von Trient, verkörpern sollte. Hinzu kam der Brauch, bei dem Fest ein sogenanntes Anderle-Ferkele zu schlachten. Auf die Feierlichkeiten und ihren historischen Hintergrund wurde von der örtlichen Presse gewöhnlich unkritisch oder auch sympathisierend hingewiesen. Die Ritualmordlegende gehörte auch zum schulischen Unterrichtsstoff, so wurden regelmäßig Schulausflüge zur Kirche von Judenstein unternommen.2 Durch beispielsweise Postkarten wurde die Blutbeschuldigung des Anderl auch außerhalb der Grenzen Rinns und Österreichs bekannt, was dazu beitrug, dass zum alljährlichen Anderl-Fest auch Besucher*innen aus Deutschland und Italien nach Rinn reisten und es auch heute immer noch tun.
Zum Fest Mariä Heimsuchung wurde die Kirche von Judenstein am 2. Juli 1989 in einem Gottesdienst feierlich neu eröffnet und gesegnet. Seit die Kirche renoviert wurde, befindet sich anstelle der zentralen Ritualmordszene ein neues Deckenfresko: Jesus und die Kinder, hergestellt vom Tiroler Künstler Wolfram Köberl. Die Figurengruppe auf dem Felsen (dem “Judenstein”) war zwischenzeitlich ebenfalls entfernt worden. Diese Umgestaltungen wurden von der Presse überwiegend positiv hervorgehoben und als Zeichen der Versöhnung wahrgenommen, um mit der angeblichen Ritualmordlegende, abzuschließen.3

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