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Joseph Deckert

Im 19. Jahrhundert befasste sich der Wiener Pfarrer Joseph Deckert (1843-1901) unter anderem mit dem Fall Simons von Trient. Deckert war Anhänger der christlichsozialen Bewegung und überzeugter Antisemit. Er veröffentlichte eine Reihe von Werken zu den Ritualmordlegenden über Simon von Trient, Anderl von Rinn und andere, angebliche geschändete Tiroler Kinder. Für seine Publikationen wurde Deckert mehrfach angeklagt und auch zu Geldstrafen verurteilt. Bekanntheit erlangte insbesondere sein Streit mit dem Wiener Rabbiner Joseph Samuel Bloch, der vor Gericht ausgetragen wurde. Um seine Thesen zu bekräftigen hatte sich Deckert darauf berufen, dass Blutmorde noch gegenwärtig seien. In diesem Zusammenhang hatte er auch einen Brief des Konvertiten Paulus Meyer veröffentlicht, einer schillernden Figur, woraufhin Bloch 1893 einen Beleidigungsprozess anstrengte, welchen er auch gewann. Deckert wurde vom Wiener Ordinariat verwarnt, er selbst sagte, dass Bloch ihn in den Antisemitismus hineingehetzt habe.1
In seinem Werk Ein Ritualmord – Aktenmässig nachgewiesen beschreibt Joseph Deckert den Fall des Simon von Trient sehr detailliert. Dabei geht er nicht nur auf den Verlauf der Suche nach Simon ein, sondern beschreibt auch ausführlich dessen Entführung (was kaum quellengestützt fassbar ist), den Tatverlauf und auch den Prozess selbst. Deckert geht zwar auf die gegenüber den Gefangenen angewendeten Foltermethoden ein und sieht deren „Mängel“, doch habe der Richter nach damaligem Recht gehandelt. Ob man die Schuldeingeständnisse unter Folter überhaupt anerkennen dürfe, bleibt allerdings unberücksichtigt.2
Es bleibt meist unklar, auf welche Quellen sich Deckert bezieht, doch es scheint, als würde er sich hauptsächlich auf Tiberinus und auf die Historie von Simon zu Trient stützen. Dabei vermischt er häufig beide Quellen und es ist undurchsichtig, wann er sich auf welche Quelle bezieht. Außerdem geht Deckert stärker auf die Handlung der Geschichte ein und schmückt diese weiter aus, als Tiberinus es tut.

„Jetzt begannen sie auch das Kind zu spotten und zu höhnen: ‚Rufe deinen Jesus und Maria, seine Mutter, daß sie dir helfen!‘ Einige ergriffen die Leiche bei den Haaren, rissen sie hin und her, schlugen das Haupt des Kindes auf das Almenor; andere bissen ihm sogar ins Ohr, spuckten ihm ins Angesicht, reckten ihre Zungen heraus, machten Feigen und andere Spottgeberden, entblößten ihren H …. gegen die Leiche, strampften [sic] mit den Füßen und tobten und schrieen – ein wahrer Hexensabbath.“3
Tiberinus schreibt zwar auch davon, dass die Juden den Simon verspotten, doch nicht in diesem Ausmaß. Die exakte Beschreibung des zum Ritualmord umgedeuteten Gewaltverbrechens oder auch die Verspottung des Kindes lassen sich aber, anders als Deckert es will, nicht detailgenau rekonstruieren. In dem Auszug zur Verspottung, in den er mehr hineininterpretiert, erkennt man die antisemitische Haltung des Autors. Deckert zeichnet ein vulgäres und anstößiges Bild der Juden, die sich bei ihm wie wilde Tiere verhalten. Aber auch viele andere antisemitische Äußerungen lassen sich bei Deckert wiederfinden.

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