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Einmischung der Päpste

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Der Prozess

In der Nacht von Ostersonntag auf Ostermontag 1475 wurden verhaftet: der Geldverleiher Samuel und seine Familie, der Geldverleiher Angelus, Isaak sein Bediensteter, Tobias der Arzt, seine 24-jährige Ehefrau Sara, der 20-jährige Hauslehrer Moses, Bona, die Schwester des Angelus, ein Mann namens Mohar und sein Sohn Bonaventura, ein Koch ebenfalls mit dem Namen Bonaventura, Israel, ein Abschreiber und Buchmaler, der 24 Jahre alt war, und seine gleichaltrige Frau Anna. Das Alter der Angeklagten ist wichtig, denn allen im Alter von 18 bis 25 Jahren wurde ein Rechtsbeistand zugesprochen.1
Tobias, der Arzt, war der Erste, der den Leichnam des Jungen untersuchen konnte. Er war der Überzeugung, es handele sich um einen Unfall. Simon sei in den Bewässerungsgraben gefallen und dabei habe er sich den Kopf verletzt, weswegen er letzten Endes ertrunken sei. Die Schnitte am Körper des Kindes erklärte er durch Dornen. Auf Samuels Grundstück sei er dann, durch die Strömung getrieben worden. Die beiden offiziell beauftragten Ärzte, welche den Jungen danach obduzierten, waren anderer Meinung. Johannes Matthias Tiberinus und Archangelus de Balduinis waren sich einig, dass Simon getötet worden sein musste. Denn ihrer Ansicht nach, sei nicht genug Wasser im Magen zu finden, um ein Ertrinken zu bestätigen. Zudem sei die Leiche nicht aufgedunsen genug gewesen. Gegen diese Vermutung sprach nach ihrer Meinung außerdem eine Untersuchung des Bewässerungsgrabens, die ergeben hatte, dass angeblich Stäbe einer Reuse ein Abtreiben des Leichnams von einem Teil des Grabens zum anderen unmöglich machten.2
Den Prozess leitete der Bürgermeister (Podestà), der vom Bischof bevollmächtigt worden war. Zunächst wurde der Prozess nur nach weltlichem Recht geführt. Der Richter, also der Bürgermeister, versuchte in diesem Fall aufzuzeigen, dass es eben doch ein Ritualmord sei und so etwas für die Juden keine Seltenheit darstelle. Deswegen versuchte man, die Angeklagten auch mit anderen, ähnlichen Fällen in der Gegend in Verbindung zu bringen.
Herzog Sigismund von Tirol war der erste, der forderte, den Prozess zu unterbrechen. Er hatte die jüdische Bevölkerung 1450 unter seinen Schutz gestellt und sah seinen Herrschaftsanspruch als gefährdet an, sollte der Prozess ohne seine Genehmigung zu Ende geführt werden. Am 23. Juli griff dann auch Papst Sixtus IV. in den Prozess ein und ließ diesen erst einmal unterbrechen. Er setzte Giovanni Battista dei Giudici, den Bischof von Ventimiglia, als seinen Abgesandten ein; denn es gab päpstliche Bullen, die sich gegen antijüdische Ritualmordvorwürfe aussprachen, weil man diese als nicht echt klassifizierte. Dei Giudici entschied dann, dass der Prozess auch durch das Kanonische Recht beurteilt werden sollte.3
Die verhafteten Jüdinnen und Juden wurden allesamt gefoltert. Sie wurden hochgezogen, geschlagen und teilweise wurde ihnen eine Schale mit Schwefelfeuer unter die Nase gehalten. Durch die schwere Folter legten einige der Angeklagten ein falsches Geständnis ab. Anschließend mussten sie auf ihren Glauben schwören, dass dieses Geständnis richtig sei.
Als Motiv für die Ermordung gab die Anklage an, dass mit dem Mord an einem christlichen Jungen Jesus selbst geschmäht werden sollte und dass das Blut in den Wein gemischt worden sei, um die Feinde ihres Gottes, also die Christen, damit zu strafen.4 Das angeblich entnommene Blut und die Mordwaffe wurden nie gefunden. Trotzdem wurden die Hauptangeklagten Samuel, Angelus und Tobias des Ritualmordes schuldig gesprochen und zum Tod auf dem Rad verurteilt. Die anderen männlichen Angeklagten wurden des Blut-Trinkens für schuldig befunden und zum Tod durch Erhängen verurteilt. Die Frauen und Kinder sowohl der angeklagten als auch der verurteilten Juden wurden gezwungen, zum Christentum zu konvertieren.5

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