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(Vor-) Urteil vor Gericht

Der Prozess vor dem Schwurgericht zu Kleve vom 4.-14. Juli 1892 glich keiner gewöhnlichen Gerichtsverhandlung. Er konnte auch nie zu einer solchen werden, denn schon im Vorfeld war die sogenannte Buschhoff-Affäre zu einem bis dahin im deutschen Kaiserreich unbekannten Medien- und Politikspektakel herangewachsen. Aufgrund dessen sollte der Prozess für manche dieses gewaltige öffentliche Interesse befriedigen, für andere wiederum die Spirale der Eskalation in den Debatten durchbrechen. Für letztere sollte, auch wenn Adolf Wolff Buschhoff des Mordes an dem fünfjährigen Jungen Johann Hegmann angeklagt wurde, nicht seine Schuld bewiesen, sondern vielmehr seine Unschuld zweifelsfrei herausgestellt werden. Selbst die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass er überhaupt nicht der Täter war. Daher ist die Gerichtsverhandlung in Kleve vor allem als ein Medienprozess anzusehen, welcher die Unabhängigkeit der Justiz öffentlichkeitswirksam demonstrieren sollte. Letzteres war nämlich in der dem Prozess vorausgehenden Berichterstattung über den Ritualmordvorwurf von Xanten von Teilen der Öffentlichkeit in Frage gestellt worden.1
Neben Politik und Medien war auch die Beteiligung aus der lokalen Bevölkerung groß: 164 vernommene Zeugen – von denen einige nur Fantasiekonstrukte beizutragen hatten – in neun Verhandlungstagen sprechen für die enorme Bedeutung dieses Ereignisses. Fast genauso viele erlebten den Prozess vor Ort Tag für Tag hautnah mit. Der etwa 150 Personen fassende Gerichtssaal soll immer bis auf den allerletzten Platz besetzt gewesen sein.2 Doch, wie gestaltete sich das Geschehen dort genau, dass es die Leute so fesseln konnte?